>> „Wir trennen uns.“ Als mir eine sehr nahe Freundin diese schlichte Mitteilung machte, merkte ich, dass ich sagen wollte: „Ja warum denn das? Gibt es keine Chance, dass ihr zusammen bleibt?“ Doch ich habe es mir verkniffen. Wie es ihr gehe, wie das alles gekommen sei und wie sie sich ihre Zukunft nun vorstelle, das wollte ich natürlich schon wissen. Aber ein Plädoyer für die Weiterführung der Ehe kam mir als unzulässige Überschreitung einer Grenze vor. Was seltsam ist. Immerhin bin ich ihre Trauzeugin gewesen. Wäre es womöglich sogar meine Aufgabe, meinen Teil zur Rettung dieser Beziehung beizutragen? Mir fällt ein Paar ein, sie Muslima, er evangelischer Vikar, die zu ihrer Hochzeit viele Gäste einluden. „Es werden Phasen kommen, wo es uns nicht so gut geht, und dann werden wir Menschen brauchen, die diese Ehe mittragen“, haben sie gesagt. Trennen sich so viele Menschen, weil es niemand gibt, der in Krisen mitträgt oder seinen Teil daransetzt, dass die Beziehung, mit der meist auch eine Familie verbunden ist, bestehen bleibt?
Beziehungen haben sich extrem rasant verändert. … Das eigene Glück steht bei den meisten an erster Stelle. Der Partner oder die Partnerin wird in der Rolle gesehen, dieses umfassende Wohlbefinden mit zu ermöglichen. Verspricht ein anderer Mensch das größere Glück, ist der Wechsel schneller als früher eine Option. Vielleicht auch, weil sich niemand darüber aufregt, sondern in der Regel solche Entscheidungen als höchstpersönliche einfach kopfnickend zur Kenntnis genommen werden. Wirklich hart ist es für jene, die unfreiwillig mit dem Ende einer Beziehung konfrontiert werden. „Gibt es jemand Dritten?“ Ja, wie meistens. …
Nun ist die Welt der Beziehungen wie sie eben ist. Es wird, je öfter es vorkommt, auch für Kinder nicht mehr das ganz große Drama sein, ein Scheidungskind zu sein, es gibt gar nicht so wenige Familien, die wirklich liebevolle Patchwork-Arrangements leben, und manche finden nach mehreren Versuchen doch den Partner oder die Partnerin, mit dem oder der sie sich vorstellen können, alt zu werden.
„Manchmal habe ich noch Wehmut, weil meine erste Ehe auseinandergegangen ist, weil mein damaliger Mann mich wegen einer anderen verlassen hatte“, erzählt eine entfernte Bekannte. Das Versprechen, bei jemanden zu bleiben, es miteinander durch dick und dünn zu probieren, einander treu zu sein, kann man zwar brechen, aber offenbar doch nicht so einfach vergessen.
… der Liebe eine Chance … geben – … Außenbeziehungen [sind] auch Signale, dass die Binnenbeziehung neue Impulse braucht. Vom Politiker Franz Alt las ich kürzlich, dass seine Frau, nachdem dessen Freundin mit Zwillingen schwanger war, nicht sofort die Scheidung eingereicht, sondern gemeint hat: „Zu einer Krise gehören immer zwei.“ Die Schuld nicht nur beim anderen zu suchen, scheint hilfreich, die Ehe ist bis heute aufrecht geblieben.
Um nicht missverstanden zu werden: Einmischung in innere Angelegenheiten geht nicht. Aber Beistand bei inneren Angelegenheiten könnte doch womöglich hilfreicher sein, als wir meinen.<<
(aus: Welt der Frau 02/2017, Christine Haiden: „Hat die Liebe keine Fürsprecher mehr?“)